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22. Dezember

Die Legende von der Erschaffung der Krankenschwester

Als der liebe Gott die Krankenschwester

schuf, machte er bereits den sechsten

Tag Überstunden. Da erschien ein Engel

und sagte: „Herr, Ihr bastelt aber lange an dieser Figur!"

Der liebe Gott anwortete: „Hast Du

die lange Liste spezieller Wünsche auf

der Bestellung gesehen? Sie soll als Mann und Frau

lieferbar sein, wartungsfrei und leicht zu desinfizieren, aber

nicht aus Plastik, sie soll Nerven wie Drahtseile haben

und einen Rücken, auf dem sich alles abladen läßt,

dabei aber so zierlich, daß sie sich in viel zu kleinen Dienstzimmern wohlfühlen kann. Sie muß fünf Dinge zur gleichen Zeit tun können und soll dabei immer noch eine Hand frei haben."

Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: „Sechs Hände, das wird kaum gehen!" „Die Hände machen mir keine Kopfschmerzen" sagte der liebe Gott, „aber die drei Paar Augen, die schon das Standardmodell haben soll: ein Paar, das nachts durch alle Wände sehen kann, damit eine Nachtwache zwei Stationen betreuen kann, ein zweites Paar im Hinterkopf, mit dem sie sieht, was man vor ihr verbergen möchte, was sie aber unbedingt wissen muß und natürlich das eine hier vorn, mit dem sie einen Patienten ansehen kann und ihm bedeutet:

„Ich verstehe Sie und bin für sie da", ohne daß sie ein Wort sprechen muß.

Der Engel zupfte ihn leicht am Ärmel und sagte: „Geht schlafen Herr, und macht morgen weiter." „Ich kann nicht", sagte der liebe Gott, „Ich habe bereits geschafft, daß sie fast nie krank wird und wenn, dann heilt sie sich selber; sie kann begreifen, daß 10 Doppelzimmer 40 Patienten bedeuten kann, aber 10 Stellen oft nur 5 Schwestern sind; sie hat Freude an einem Beruf, der alles fordert und schlecht bezahlt wird, sie kann mit Schaukelschichten leben und kommt mit wenigen freien Wochenenden aus."

Der Engel ging langsam um das Modell der Krankenschwester herum: „Das Material ist zu weich," seuftzte er. „Aber dafür zäh" entgegnete der liebe Gott, „Du glaubst gar nicht, was es alles aushält!"

„Kann sie denken?" - „Nicht nur denken, sondern auch urteilen und Kompromisse schließen," sagte der liebe Gott.

Schließlich beugte sich der Engel vor und fuhr mit dem Finger über die Wange des Modells. „Da ist ein Leck," sagte er.

„Ich habe Euch ja gesagt, Ihr versucht zu viel in das Modell hinein zu packen."

Da ist kein Leck, das ist eine Träne!"

„Wofür ist die?" ,Sie fließt bei Freude, Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit" sagte der liebe Gott versonnen, „die Träne, die Träne ist das Überlaufventil!"

Image by Patty Brito
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